Mit spitzer Feder …
Als modebewusste und -interessierte Frau informiere ich mich regelmässig über gängige Modetrends. Beim Blättern in einer Modezeitschrift bin ich kürzlich auf die aktuellste Schuhmode gestossen und musste zuerst einmal leer schlucken. Einfach himmelschreiend die neuen Modelle! Der Monolith – die neuste Kreation von Prada – ist kein gewöhnlicher Schuh, vielmehr ein monströses Ding von wuchtiger Statur und unzerstörbarer Beschaffenheit für die Ewigkeit – und erinnert irgendwie eben an einen urchigen Gesteinsbrocken wie es der Name schon sagt. Obelix hätte seine helle Freude daran. Ein Schuh, der so heisst, verspricht daher alles andere als Eleganz. Das Weiterblättern bestätigt mir die neue Winterschuhmode 2020/21. Sie kommt sowohl in der Haut Couture als auch in Schuhgeschäften für die Normalsterblichen grob und klobig daher und erfreut sich grosser Beliebtheit. Models mit ihren «Zahnstocherbeinchen» in Traktoren von Schuhen – ein grandios-skurriler Anblick. Ich weiss jetzt nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Jedenfalls scheinen die grazilen, fast durchsichtigen Geschöpfe so ein wenig Boden unter den Füssen zu bekommen. Die schaurigen Modelle erinnern mit ihren dicken Sohlen an Allrad-Fahrzeuge oder an Raver-Modelle aus den Neunziger. Damals war ich zwar noch ein halbes Kind, aber ich habe solches klobige Schuhwerk dann schon geschmacklos gefunden.
Viel mehr mein Stil sind leichtfüssige Ballerina, wie sie Audrey Hepburn in den 60er-Jahren trug oder dann High Heels à la Sarah Jessica Parker in «Sex and the City». Sie waren bis vor fünf, zehn Jahren die Schuhe der Stunde. Alles unter acht Zentimeter galt damals als flach. Ein must-have für alle stilbewussten Frauen waren die sündhaft teuren und sündhaft schönen Modelle von Christian Louboutin mit der glänzend roten Sohle als Markenzeiche. Hand aufs Herz, ich habe es allerdings nie geschafft, mir ein solches Paar Schuhe anzuschaffen, was bei meiner Grösse von 1,82 Meter auch nicht nötig ist. Allein das Gehen darin sieht nach Körperertüchtigung aus. Zudem störte mich an High Heels teilweise ihr Image, sind sie doch mehrheitlich das Markenzeichen von Frauen, die sich als schmückendes Beiwerk verstehen, die kein eigenes Geld verdienen. Die moderne Frau schreitet zügig voran, auf gefederten Luftkissensohlen von Sportartikelherstellern, leichtfüssig Treppen hinauf und hinab und durch den Alltag. Fussschmerzen kennt sie nicht, und eine Party frühzeitig zu verlassen oder diskret die Ballerinas aus der Tasche ziehen, weil die Zehen abzusterben drohen, kennt sie erst recht nicht.
Pumps sind out, Converse in – so lautet die Devise heute. Turnschuhe immer und überall – zur Jeans zum eleganten Deux-Pièce ebenso wie zur Marlene Dietrich-Hose, zum Cocktailkleid, zu Rock und Jupes. Sie werden sowohl im Büro, in der Freizeit, als auch im Theater oder Casino getragen und passen zum jugendlichen-dynamischen Erscheinungsbild, das die Mode in den letzten Jahren propagiert. Auch Turnschuhe sind nicht gerade meine bevorzugten Schuhe, ausser sie sind edel, luxuriös, mit Glitzer und Glamour verziert – ansonsten gehört für mich dieser Schuh in die Turnhalle oder auf den Trainingsplatz und sonst nirgends hin. Jedenfalls scheint der Sneaker der Vorläufer dieses modischen Malheurs zu sein. An den Turnschuhen testet die Designergilde wie weit sie gehen kann, und stellt fest: sehr weit. Frau federt fortan nicht mehr, sondern schleppt diesen Winter diese sogenannten «Dead Sneakers» hinter sich her. Ein Mittelweg sind die Gummistiefel, die mittlerweile getigert, geblümt, oder in süssen Bonbonfarben salonfähig sind. Nun, vielleicht sind wir noch einmal froh darum, wenn die Pandemie so richtig Hochkonjunktur hat und ganze Plätze desinfiziert werden – man weiss ja nie. Eigentlich kann man ja nichts gegen diese Schuhmode sagen: Die Modelle sind praktisch, sie halten die Füsse trocken – Erkältungen sind zurzeit sehr suboptimal – und im weitesten Sinne orthopädisch korrekt und eben nachhaltig. Sie sehen zwar (entschuldigen Sie den Ausdruck) scheisse aus, aber das ist in unserer veganen, alternativen auf Umweltverträglichkeit ausgelegten und getrimmten Gesellschaft nebensächlich. Sie halten ewig, ein ganzes Leben lang, total umweltfreundliche, nachhaltiger geht’s nicht – aber trotzdem: Als mode- und stilbewusste Frau mit einem ausgeprägten Auge für die Ästhetik kommen mir solche Schuhe niemals unter die Füsse, Trend hin oder her. Ich gleite und schwebe lieber durch meine Alice-im-Wunderland-Welt.
Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Verlagsredaktorin